Geschichten

Beitrag vom 7. Februar 2024

Autorin: Karin Hagmann

Rubriken: Aus dem Aida-Alltag

«So ein Kurs ist wie ein grosses Segelschiff.»

Eine Kursleiterin blickt zurück.

Eine Fülle an Themen, Methoden und zum Schluss ein gemeinsamer Ausflug: Karin Hagmann erzählt über das Semester mit der B1.1-Klasse.

Das Kurszimmer war mit den 10 Teilnehmenden meines neuen B1_1-Kurses bis auf den letzten Platz besetzt. Als erstes brachte jede Person allen anderen die richtige Aussprache ihres Vornamens bei. Um einander etwas kennen zu lernen, führten wir kurze Gespräche mit dem Thema «Sommer in der Schweiz». Die Gespräche bereiteten wir mit W-Fragen vor. Zum Beispiel: Wie findest du den Sommer in der Schweiz? Wohin gehst du gern im Sommer? Welches sind deine Lieblingsaktivitäten? Welche Kleider trägst du gern im Sommer?
W-Fragen formulieren und damit Gespräche führen ist eine Kompetenz des Niveaus A2.
Das Niveau A2 thematisierten wir so: Was bringe ich in meiner Tasche aus dem Niveau A2 mit? Alle zeichneten eine Tasche und notierten darin Stichworte zum Niveau A2.

Die Tücken der Niveau- und Semestereinteilung

Die Kursteilnehmenden kommen aus 6 Ländern: Ägypten, Brasilien, China, Eritrea, Kongo, Syrien. Fast alle haben bisher schon bei Aida Deutsch gelernt. Dabei waren sie in verschiedenen Kursgruppen unterwegs und auch unterschiedlich lang. Die Kursgruppe hat sich neu gebildet und formte sich im Laufe des Semesters.
Unser Kursniveau ist B1.1 und Lehrmittel haben meist 2 Bände: B1.1 und B1.2. Auf unseren Büchern steht aber «B1». Sie beinhalten das ganze Niveau B1. Das hat 2 Teilnehmende verunsichert und Fragen aufgeworfen. Was läuft hier? Bin ich hier im richtigen Kurs? Oder jemand wiederholt B1.1 und versteht nicht, warum sie jetzt doch wieder 2 Semester B1 vor sich hat. Diese Phase brauchte wirklich Geduld!
So ein Kurs ist wie ein grosses Segelschiff: Wenn alle ihren Platz gefunden haben, nimmt das Schiff Fahrt auf.

Die Schweiz und die Welt

Themen in diesem Semester waren: Die Schweiz und die Welt, Essen und Trinken, Landschaft und Klima, Kommunikation und Beziehungen, Wohnen und Mobilität. Auf dem B1-Niveau sind weiterhin Themen aus dem Alltagsleben aktuell. Daraus ergeben sich auch Sachthemen. Die Lesetexte werden länger. Viele Redemittel ermöglichen das Sprechen über die Texte: Inhalte wiedergeben, meine Meinung sagen, über eigene Erfahrungen sprechen. Zum Beispiel das Thema «Rohstoffe in der Schweiz». Das eröffnete einen weiten Horizont, der uns hin zum Gold im Kongo und zurück zum Salz in der Schweiz und schliesslich zu unseren Tellern führte: Welches Salz benutzen wir? Warum hat es Jod im Schweizer Salz? Auch die Grammatik lernen wir immer im Zusammenhang mit einem Thema.

Im Kurs alltäglich sind Partnerinnenarbeit, Kleingruppenarbeit. Folgendes Setting macht in meinen Augen viel Sinn: Kursteilnehmende lesen und bearbeiten einen Text. Dann erzählen sie einer Kollegin wichtige Informationen aus dem Text. Diese Kollegin hat einen anderen Test gelesen und erzählt dann von diesem.
Für die Kursteilnehmenden ist es ungewohnt, wenn nicht die Lehrerin immer alles kontrolliert und korrigiert.
Ich achte darauf, mich immer wieder zurückzunehmen. Ich lehne mich dann an eine Wand mit wachem, entspanntem Blick und Ohr für das Geschehen im Raum.

Dieses Semester habe ich im Kurs den «Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen» thematisiert. Alle sprechen immer von den Niveaus und den Prüfungen. Aber was beinhaltet der GeR wirklich? Was bedeutet Niveau B1 im Vergleich zu A2? Im Kurs haben wir zusammengetragen, was Sprache alles beinhaltet. All die Aktivitäten haben wir in die vier Sparten des GeR eingeteilt: Rezeption, Produktion, Interaktion, Mediation. Das Interesse und die aktive Mitarbeit der Teilnehmenden haben mich gefreut. Das erlaubt uns nun, Sprachaktivitäten differenziert wahrzunehmen.

Einfache Sprache und der Fluch des Wissens

Am MAZ in Luzern habe ich bei Gabriela Bonin eine zweitägige Weiterbildung zum Thema einfache Sprache besucht. Das begleitet mich im Arbeitsalltag: Wir brauchen Begriffe. Wir gehen davon aus, dass alle sie verstehen. Aber es sind Fachbegriffe. Viele verstehen sie nicht oder nur vage. Zum Beispiel der «GeR». Gabriela Bonin nannte das den «Fluch des Wissens».

Nach dem Semester ist vor dem Semester

Nach dem Semester ist vor dem Semester: Wie gehe ich mit der Stofffülle im nächsten Semester um? Welche Schwerpunkte setze ich? Wie beziehe ich die Teilnehmenden in die Entscheidungen mit ein? Wie werden die Fortschritte sichtbar?
In der letzten Kurssequenz vor den Ferien haben wir das Bistro Dom besucht. Wir sassen alle an einem langen Tisch in der Mitte des Raums und sprachen zusammen. Eine Teilnehmende schlug ihren Kolleginnen dann vor, sich in den Ferien hier zum Kaffee zu treffen. Ich bin gespannt, nach den Ferien davon zu hören. Ob es geklappt hat?