Geschichten

Beitrag vom 5. Dezember 2023

Autorin: Michaela Tanner

Rubriken: Aida-Frauen erzählen, Blick hinter die Kulissen

Für St.Gallen, für Frauen, für Aida: Franziska Ryser ist die ideale Präsidentin

Ein Portrait

Seit 2020 ist die St.Gallerin Franziska Ryser Präsidentin des Vereins Aida. Was sind ihre Aufgaben? Welche Pläne hat sie für Aida? Und was macht sie sonst noch?

Die 32-Jährige hat einen Doktortitel der Eidgenössischen Technischen Hochschule ETH und ist seit vielen Jahren politisch aktiv, zuerst im Stadtparlament und seit 2019 im Nationalrat. In ihrer Freizeit ist sie oft in der Natur unterwegs. Schon früh war sie von technischen Zusammenhängen fasziniert und engagiert sich seit über 10 Jahren für eine nachhaltige Gesellschaft.

Technik? Na, klar!

Franziska ist mit einem Zwillings- und einem älteren Bruder aufgewachsen. Sie erzählt, dass sie als Kinder viel zusammen unternommen haben und es nie gross eine Trennung «Mädchen/Jungen» gegeben habe – gerade, weil sie ein Zwillingspärchen sind. Ihre Mutter war Handarbeitslehrerin. Ihr Vater, ein Germanist, war Lehrer an der Kantonsschule und leitete lange das Figurentheater in St.Gallen. Bereits als kleines Mädchen war Franziska oft mit ihrem Vater im Figurentheater und hat «vor und hinter den Kulissen ganz viel mitbekommen». Wie funktionieren die Ton- und Lichtanlagen? Was braucht es, dass ein Stück aufgeführt werden kann? Das alles hat Franziska früh interessiert und mit 10 Jahren hat sie selbst die Beleuchtung bei einem Stück gemacht. Schon als Mädchen war sie begeistert von technischen Zusammenhängen. «Mich hat enorm fasziniert, wie alles miteinander verknüpft ist: die Verkabelung, die Schalter», sagt sie heute. Daher ist es nicht überraschend, dass sie sich für ein Studium an einer technischen Hochschule entschieden hat.

«Bei technischen Fragestellungen geht es fast immer darum, Lösungen für ein Probleme zu finden. Als Ingenieurin frage ich mich: Wie kommen wir weiter? Wie können wir etwas bewirken? Das finde ich spannend. Das war auch die Motivation, warum ich in die Politik gegangen bin. Dort sind es einfach gesellschaftliche Fragestellungen, bei denen wir weiterkommen müssen.»

Der Frauenanteil bei technischen Berufen und Studiengängen steigt seit 30 Jahren an, ist allerdings noch immer gering. 2010, als Franziska mit dem Studium anfing, waren ungefähr 10 % der Studierenden im Bereich Maschinenbau an der ETH weiblich. «Wir waren eine eher positiv konnotierte Ausnahme.»

Lieblingsstadt St.Gallen

Während der letzten Legislatur* hat Franziska in Bern in einer Wohngemeinschaft mit zwei Mitparlamentariern gewohnt. Hier in St.Gallen wohnt sie mit ihrem Partner in einer Wohnung in Sankt Georgen. Er ist auch Maschineningenieur. 2024 werden sie zum ersten Mal Eltern. An St.Gallen schätzt sie die Nähe in der Stadt, die spontanen Begegnungen und Gespräche, die entstehen und dass man relativ schnell weiss, was wo läuft. «Man kommt sich in der Stadt nicht fremd vor», sagt sie. Ihre Lieblingsorte sind die drei Weihern und die Altstadt. Sie flaniert gerne durch die Gassen.

Ihrer Familie gehört das Optikergeschäft Ryser Optik. Franziska ist Präsidentin des Verwaltungsrates und erklärt: «Mein Grossvater hat das Familienunternehmen gegründet und meine Tante hat es von ihm übernommen. In Zeiten, in denen es noch eine Ausnahme war, dass Frauen ein mittelgrosses Geschäft führten. Von ihnen habe ich den Unternehmerinnengeist.»

Foto zum Beitrag
Franziska Ryser, Präsidentin von Aida

Für das Klima und die Gleichstellung

Bereits mit 21 Jahren war sie für die Jungen Grünen im St.Galler Stadtparlament aktiv. Seit 2019 sitzt sie im Nationalrat. Am 22. Oktober 2023 wurde sie wiedergewählt.

Als Politikerin setzt sich Franziska Ryser ein für:

– den Klimaschutz,
– gelebte Gleichstellung,
– gleiche Rechte für Frauen*,
– die Vereinbarkeit von Familie und Beruf,
– einen bewussten und nachhaltigen Umgang mit der Digitalisierung,
– zukunftsgerichtete Arbeitsplätze und
– eine umweltgerechte Mobilität.

Gleichstellung definiert sie so: «Gleichstellung ist, wenn alle gleich behandelt werden und die Gesellschaft Strukturen bietet, damit wir alle von der gleichen Position aus starten können.»

Momentan ist sie Vollzeit Politikerin. Nebst dem Nationalrat, der ungefähr einem 60 %-Pensum entspricht, ist sie auch Vizepräsidentin der parlamentarischen Untersuchungskommissionen PUK, die das Scheitern der Grossbank Credit Suisse untersucht.

Mit ihrem Doktortitel stehen ihr viele Berufe offen, vor allem in der Industrie. Franziska kann bei Firmen arbeiten, die produzieren, im Bereich Robotik zum Beispiel. Aber auch im Controlling und der Datenanalyse, gibt es viele Möglichkeiten für sie. Natürlich wäre Zürich beruflich attraktiver, aber es gibt viele interessante Firmen in der Ostschweiz, sagt sie. Und: St.Gallen gefällt mir viel besser als anonymere Zürich.

Aufgaben als Präsidentin

Als Präsidentin des Vereines Aida leitet Franziska die Vorstandssitzungen. An diesen Treffen bespricht das sechsköpfige Gremium einerseits Fragen, die von der Co-Geschäftsleitung eingebracht werden. Anderseits diskutiert der Vorstand strategische Themen, das heisst, wie Aida weiterentwickelt werden könnte. Auch die Finanzen sind Sache des Vorstandes. Die Frauen im Vorstand achten darauf, dass Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen sind. Wenn es nötig ist, beschliessen sie Massnahmen, um die Finanzen ins Lot zu bringen. Franziska vertritt den Verein auch gegen aussen. Das heisst, sie nimmt an Sitzungen mit städtischen und kantonalen Partnerinnen und Partnern von Aida teil.

Franziska schätzt Aida sehr:

«Aida ist eine sehr wichtige und auch schöne Institution. Wichtig, weil sie einen Zugang schafft zur Sprache, zur Kultur, zum Leben. Schön, weil die Art, wie Aida diesen Zugang schafft, sehr menschlich ist. Es ist ein Ort von Frauen für Frauen. Ein Raum, der wohlwollend, offen und integrativ ist. Deshalb bin auch stolz, Präsidentin sein zu dürfen. Aida vermittelt den Kursteilnehmerinnen das Werkzeug, damit sie hier Fuss fassen können.»

«Hier» definiert die Präsidentin ganz selbstverständlich als «Ostschweiz oder auch Zentraleuropa». Dass Franziska Ryser mit gesundem Realitätssinn weiterdenkt, zeigt sich auch an ihren Zukunftsplänen für Aida:

«Es ist wichtig, dass wir das Aufgebaute weiterführen und die positive Stimmung hier bei Aida erhalten. Aber wir müssen auch weiterdenken: vom reinen Sprachzentrum weg zu einem Kulturvermittlungsort mit integrativen Massnahmen.»

Hier geht es zum Grusswort von Franziska zum Aida-Jubiläum 2022

*Als ​«Legislaturperiode» oder kurz «Legislatur» bezeichnet man die Amtsdauer eines Parlaments, nach deren Ablauf eine Gesamterneuerungswahl erfolgt.