Geschichten

Beitrag vom 9. März 2023

Autorin: Michaela Tanner

Rubriken: Aus dem Aida-Alltag, Blick hinter die Kulissen

«Im Zentrum stehen die Begegnungen»

Interview mit Franziska Bürkler und Sarah Matjaz

Franziska Bürkler ist die dienstälteste Aida-Kursleiterin. Sie unterrichtet seit 1996 bei Aida. Damals fuhr sie einmal wöchentlich ins Spital Heiden, wo sie das Reinigungspersonal unterrichtete. Von 2001 bis 2021 war Franziska Bürkler Leiterin Fachbereich Kurse. Sie hat 2006 das telc-Prüfungszentrum aufgebaut. Sarah Matjaz, lic. phil I, Erwachsenenbildnerin SVEB I, hat nach den Sommerferien 2021 ihre ersten Kurse bei Aida übernommen.

Kannst du dich an deine erste Begegnung mit Aida erinnern? Wie war sie?

Franziska Bürkler: Ein Zeitungsartikel über die Schule weckte mein Interesse und es kam zu einer ersten Begegnung mit der damaligen Schulleiterin Irma Iselin, die in einem kleinen Zimmer an der Kapellenstrasse ihren Schreibtisch mit einer Schreibmaschine hatte. Wir verstanden uns von Anbeginn weg. Für mich war es eine entscheidende Begegnung, da von diesem Zeitpunkt an eine vertrauensvolle, inspirierende Zusammenarbeit begann, die erst mit der Pensionierung endete.

Sarah Matjaz: Auf meinem Arbeitsweg an den Bahnhof bin ich jedes Mal an der Schule vorbeigekommen. Ich habe mir oft das Schild angeschaut und gedacht, warum ich mich eigentlich noch nicht hineingetraut habe… Der glückliche Zufall wollte es schliesslich, dass ich mit Bernadette Bachmann im gleichen Lindy Hop Kurs war. Sie hat mich ermutigt, mich bei Aida zu bewerben. Mir ist zu Ohren gekommen, wie zufrieden sowohl die Kursteilnehmerinnen als auch die Kursleiterinnen bei Aida sind. Da habe ich mich einfach beworben.

Was hat sich verändert in den Jahren?

FB: In den Neunzigerjahren steckte der DaZ-Bereich (Deutsch als Zweitsprache) noch in den Anfängen. So gab es in der Erwachsenenbildung wenig Lehrmittel. Die Aida legte immer Wert auf erwachsenengerechte Unterrichtsformen und Materialien, dies auf allen Niveaus – von der Alphabetisierung bis zur Oberstufe. Im Jahr 2001 wurde in internationaler Zusammenarbeit der GER (Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen) als Massstab für den Erwerb von Sprachkenntnissen entwickelt. Seither dient dieses System sowohl bei der Entwicklung von Lehrmitteln als auch beim Unterrichten zur Orientierung. Kam früher eine Kursteilnehmerin zu Aida mit dem Wunsch einfach Deutsch zu lernen, kann sie jetzt genau sagen: «Ich habe das Niveau B1.1 und möchte auf B1.2 weiterlernen.»

Welches ist eines der schönsten Erlebnisse, das du als Kursleiterin erlebt hast?

FB: Im Zentrum stehen für mich all die Begegnungen mit den Frauen. Dies ist dann besonders schön zu erleben, wenn die Frauen ohne Sprachkenntnisse in die Schule kommen, sich oft auch in einer neuen Lebenssituation befinden, die Sprache entdecken. Während eines Jahres lernen sich die Frauen untereinander kennen, zuerst noch ohne grosse Deutschkenntnisse. Im Laufe der Monate wird der Austausch lebendiger, Gespräche werden möglich, die Frauen gewinnen an sprachlicher Sicherheit und können sich
dadurch selbständiger bewegen.

SM: Als ich an meiner «alten» Schule nach richtig, richtig langer Zeit einem Kursteilnehmer ein Lächeln aufs Gesicht zaubern konnte. Es hat Monate gedauert, dieses Vertrauensverhältnis aufzubauen. Es bewegt mich immer noch, wenn ich daran zurückdenke.

Verrätst du uns auch einen deiner schlimmsten oder peinlichsten Momente?

FB: Schlimme Momente habe ich leider immer wieder erlebt. In den Anfängen von Aida besuchten viele Frauen aus dem ehemaligen Jugoslawien die Schule. Sie trugen Kriegserfahrungen mit sich und so löste das Thema «Familie» oft viel Traurigkeit aus. Diese Momente begleiten mich nun über die ganze Zeit, die ich bei Aida arbeite. Schwierig ist die Situation auch für Frauen, die Angehörige verlieren und nicht ins
Heimatland einreisen dürfen. In solch schweren Momenten muss ich als Kursleiterin den richtigen Umgang, die passenden Worte finden.

SM: Klar 🙂 Mir passieren viele Dinge, die mir früher peinlich gewesen wären… Die Arbeit als Kursleiterin hat mich gelehrt, gelassener mit Missgeschicken umzugehen. Was ich dann aber doch jedes Mal ein bisschen peinlich finde, ist meine Ungeschicktheit. So haben neue Unterrichtsräume gewisse Orientierungsschwierigkeiten zur Folge. Ich stolpere dann über Kabel, laufe in Tische hinein oder stosse mir den Kopf an der Leinwand… Eben ein bisschen unfreiwillig komisch.

Was wünscht du Aida zum Dreissigsten?

FB: Tanti auguri! Ein wunderbares, spätsommerliches Fest im Stadtpark für alle! Auch enn Aida jetzt dreissigjährig ist, bleibt sie noch lange jung und blickt mit Neugier und Zuversicht auf die kommenden Jahrzehnte. Sie darf stolz auf ihre Geschichte sein.

SM: Liebe Aida, ich wünsche dir weiterhin den Mut, neue Projekte anzupacken. Die Stärke, dem Zeitgeist zu trotzen, dass alles schneller und effizienter gehen muss. Die Kraft, Unkonventionelles auszuprobieren. Und den Fokus auf die Menschlichkeit zu behalten. Ich wünsche dir weiterhin so grossartige, kreative und starke Personen, die hier arbeiten, in die Kurse gehen oder im Hintergrund wirken und dich zu dem machen, was du bist.

Wenn Aida eine berühmte Persönlichkeit wäre: Wer wäre sie und warum?

FB: Amanda Gorman, sie ist eine selbstbewusste, kreative Frau, die sich der Sprache widmet und mit ihrer Poesie die Menschen zu berühren vermag. Wir alle in der Aida beschäftigen uns tagtäglich mit der Sprache, der Kommunikation in vielfältiger Weise.

Bitte beende diesen Satz: «Aida ist…»

SM: …wie ein Baum: stark, verwurzelt, die Äste nach dem Himmel ausstreckend, Früchte tragend, unter den Ästen Schutz bietend, auch bei Sturm nicht so schnell aus der Ruhe zu bringen.

Dieses Interview erschien in gedruckter Form in der Jubiläumszeitung 2022.